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Viele Gedanken, Latte Macchiato und ein Stichwort

Viele Gedanken,

Latte Macchiato und ein Stichwort

 

Einen Namen für ein Baby  zu finden ist keine einfache Angelegenheit und ich denke da würden mir einige werdende Eltern zustimmen. Der Name soll gut klingen, aber nicht zu auffallend sein, … modern, aber kein Trendname … und mit dem Nachnamen sollte er ebenfalls harmonieren. Mitunter müßte man dran glauben, dass die Namensfindung einer der Gründe dafür ist, dass sich eine Schwangerschaft über neun Monate lang hinzieht.
Ähnlich verhielt es sich in dem letzten dreiviertel Jahr bei Antonia und mir, als wir feststellten, dass sich die Arbeiten an unserem Bildband dem Ende näherten, wir aber immer noch keinen Titel dafür hatten.


Jetzt muss man dazu wissen, dass bei einem Vorhaben, welches über mehrere Jahre hinweg andauert, nicht alles so planmäßig läuft. Zunächst war der Bildband beispielsweise nicht als Monografie geplant, zum anderen hatten wir maximal mit einer Dauer von zwei Jahren gerechnet. So war es zu Beginn tatsächlich so, dass wir zunächst mit einem namenlosen Projekt starteten, das  mit uns gemeinsam wuchs.

 

Gegen Mitte des letzten Jahres stand endgültig fest, dass Antonia die einzige Protagonistin in dem Bildband wird und es eine Monografie wird. Und so wurde es Zeit dem Kind einen Namen zu geben. 
Dass dies ein gutes dreiviertel Jahr benötigte ahnte niemand vorher, zumal beispielsweise der Titel für meinen ersten Bildband im letzten Jahr ziemlich schnell gefunden war. Aber da war es auch so, dass ich mich nur mit mir allein arrangieren musste. In diesem Fall, wo Antonia die einzige Protagonistin ist, wollte ich natürlich gern Ihre Zustimmung haben, bevor man sich letztendlich für einen Titel entscheidet. Und so war es auch, dass wir uns beide Gedanken darüber machten. Klangvoll sollte er sein, modern und mit den entstandenen Bildern harmonieren, womit wir wieder bei dem Anfangs erwähnten Problem angelangt wären.
Wir hatten uns schnell darauf geeinigt, dass die Wörter Licht und Schatten auf gar keinen Fall in dem Titel vorkommen sollten (auch nicht in einer anderen Sprache). Dies sind zwei Begriffe, die in dem Wortschatz eines Fotografen so fest verankert sind, dass mir das zu einfach gedacht vorgekommen wäre.

Als wir mit der Suche begannen, wurde meist vor den anstehenden Shootings darüber gesprochen, da es mir wichtig war, dies immer persönlich zu besprechen. Und es waren im wahrsten Sinne des Wortes meist zermürbende Gespräche.

 


Man stelle sich vor, dass man eine Idee für einen Titel hat, tage- oder wochenlang darüber nachdenkt ob er funktioniert (check), dass man sich ihn leicht merken kann (check) und man sich schon bildlich auf dem Buchcover vorstellen kann (check)…
Dann sitzt man vor dem nächsten Shooting gemeinsam bei einem Latte Macchiato am Tisch, gespannt darauf, wie der andere reagiert. Man offenbart seine Idee, spricht sie aus und merkt im selben Augenblick am Blick seines Gegenübers, einer Geste oder einem im Tonfall leicht trägen „Okay“, dass es nicht die Wirkung erbringt, auf die man hoffte. Da half es auch nicht mehr viel voller Euphorie die Zusammenhänge und die Vorteile zu erklären.

Eine meiner ersten Ideen zum Beispiel war der Titel „Footprint“, der im Spätsommer letzten Jahres entstand, als wir Aufnahmen am Meer gemacht hatten und ich Antonias Fußspuren im Sand fotografierte. Der Titel sollte als Metapher stehen, dass Fotografien ebenfalls Spuren sind, die wir der Nachwelt hinterlassen. Alles schön und gut … was ich damals allerdings noch nicht wusste war, dass dem Titel irgendwie der persönliche Bezug zum Inhalt fehlte. Er war meines Erachtens nach gut durchdacht, aber ich musste mir im Nachhinein eingestehen, dass er an Wirkung verliert, weil er irgendwie nicht kraftvoll genug klang. Aber wie dem auch sei…ein Anfang war gemacht und so tauschten wir immer wieder Ideen aus, beratschlagten uns, teilten unsere Meinungen und verwarfen sie letztendlich wieder.  Ein fremdsprachiger Titel war uns da auch recht, vornehmlich ein englischer, obwohl wir zeitweise auch über einen französischen und gar einen lateinischen nachdachten.

 

 

Es kam der Moment, als ich ein wenig resignierend Antonia wieder gegenübersaß und Ihr sagte, dass es wohl am besten sei, den Bildband der Einfachheit halber nach Ihr zu benennen, beziehungsweise Ihren Rufnamen: Toni. Es war zwar immer noch nicht der exorbitante Titel, den wir uns wünschten, doch solange wir nichts Besseres fanden, gewöhnten wir uns daran. Es war ja noch Zeit und wir hofften ja immer noch auf eine plötzliche Eingebung.

Die gab es dann auch…und zwar in Form einer Nachricht bei Instagram.


Und die kam von Martin, als Fotograf auch bekannt unter dem Namen Schnaps & Schuss. Wir hatten uns letztes Jahr bei einem Foto-Walk kennen gelernt, hatte Ihn auch schon vor der Kamera und das ein oder andere Gespräch bei meinen Meet-Me´s. Ich weiß nicht genau, ob es bei einem dieser Treffen war oder ich ihm das mal geschrieben hatte, dass wir uns mit einem Titel für den Bildband schwertun, jedoch hatte er sich auch mit dem Thema beschäftigt.
Er schlug mir vor doch mal über den Begriff „Distance“ nachzudenken und gab mir damit das passende Stichwort. Allerdings war ich zunächst der Meinung, dass dieser Titel so gar nicht passend wäre und verwarf die Idee zunächst wieder, natürlich nicht ohne mich vorher bei Martin für sein Engagement zu bedanken.


Irgendwann stand der nächste Latte Macchiato mit Antonia bevor und ich hatte noch keine weitere richtige Idee. Also nahm ich einige Wochen später die Schnaps (& Schuss) -Idee von Martin nochmals auf und schaute im Internet nach in welchen Kombinationen der Begriff „Distance“ in Liedertexten, Aphorismen und Gedichten vorkam, um mir Inspiration zu holen.
Es war dann auch gleich das erste was mir Google anzeigte. Es handelt sich um ein Musikvideo von Bette Midler mit dem Titel „From a distance“ und ich war direkt schockverliebt. Nicht zwingend in den Song, sondern vielmehr in den Titel. Für mich persönlich klang er so ausdrucksstark wie kein anderer zuvor, hatte irgendwie genau diese Dynamik, nach der ich die ganze Zeit so verzweifelt gesucht hatte und war zudem auch das
was Martin mir zuvor versuchte klar zu machen.

 

 

 

„From a Distance“ bedeutet übersetzt „Aus der Ferne betrachtet“   und der Titel erklärte mir in einem Atemzug, was wir uns in den bis dahin zweieinhalb Jahren erarbeitet hatten.


Der letzte Feinschliff des Titels kam dann über Nacht. „From a Distance“ hielt ich für die allerbeste Idee,  aber irgendwie kam er mir noch unvollständig vor.
Als ich an irgendeinem Morgen erwachte, kam mir noch eine kleine Ergänzung in den Sinn, die das ganze noch unterstreichen sollte.

 

…oder übersetzt „Aus der Ferne betrachtet, …ganz nahe“

 Nun musste der Titel nur noch den nächsten Latte Macchiato mit Antonia überstehen, sozusagen den letzten Gang. Dies war aber dann tatsächlich unspektakulär. Auch wenn Ihre erste Reaktion zunächst wie stets reserviert war, stimmte sie mir aber nach ein paar Wochen ebenfalls zu, dass dies die beste Wahl ist.
Und so hatte die monatelange Suche nach einem Titel endlich Ihr Ende gefunden und einen passenderen  hätten wir kaum finden können.

„From a distance…

                  near by“

Damit beschreibt er auf eine poetische Weise ziemlich genau dieses Gefühl, das sich entwickelt, wenn man einen Menschen über Jahre hinweg fotografiert…stets mit einem gewissen Abstand voneinander, dennoch sehr vertraut und nahe. Und wir freuen uns schon sehr darauf in ein paar Monaten diese eindrucksvollen Momente mit anderen teilen zu können.

Bis dahin gibt es noch viel zu tun, also habt bitte Geduld und drückt uns die Daumen.

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Vera Burian (Montag, 30 September 2019 01:50)

    Hallo Dirk,
    ich liebe diesen Song und der Titel ist so passend ausgewählt!
    Und near by ... Tja, man betrachtet viele Dinge aus der Ferne und manchmal ist man trotzdem ganz nah dabei! Also wie im wahren Leben!
    Ich würde sagen - ein absoluter Volltreffer!!
    LG Vera

  • #2

    Weege, Karl-Heinz (Montag, 30 September 2019 12:48)

    Hallo Dirk,
    eine schöne Wegbeschreibung zur Titelfindung. Danke, dass du uns daran teilhaben lässt. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, geht es mir bei meinem ersten Magazin im Moment doch ebenso.
    Freu mich schon jetzt auf das finale Druckwerk!
    Liebe Grüße Karl-Heinz

  • #3

    Olaf Korbanek (Mittwoch, 01 Juli 2020 11:30)

    Hallo Dirk,

    ich habe gerade erst gesehen, dass du an einem neuen Bildband arbeitest und finde diese Darstellung der Findungsphase sehr spannend und den Titel ausgesprochen gelungen und treffend. Gleichzeitig finde ich es auch bedauerlich, ich arbeite an einem ähnlichen Projekt und hatte einen sehr ähnlichen Titel ins Auge gefasst. :-)
    Ich melde hiermit schon mal Interesse am fertigen Werk an.

    Liebe Grüße
    Olaf